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2. Amalgam und andere Jugendsünden

Irgendwas stimmte nicht.

Ich wusste nicht sofort was. Kam auch nicht über Nacht. War Anfang vierzig und nie hypochondrisch. Hatte körperlich in meinem Leben außer wenige Allergien und ein paar Haut-Überempfindlichkeiten wie schnell blaue Flecken oder unerklärliche Pusteln, die so schnell schwanden wie sie kamen, zzgl. der damals vermutlich noch eher mädchentypischen Essstörungen unserer Zeit, den genannten Unterleibsbeschwerden beim Sport und in den Beinen, keine Gebrechen gehabt (Empfehle da Inke Jochims. Ihr Buch machte mich clean. Tausend Sachen helfen bei Essstörungen nicht. Probierte unzähliges. Sucht halt. Unheilbar. Dachte ich. Das Buch von Inke Jochims kommt einem kleinen Wunder gleich. Wurde clean. Mochte nicht mal mehr Kaffee. Das heißt schon was. Denn ich liebe Kaffee.).

Und nein, ich hatte damals keine Probleme mit meinen Zähnen infolge meiner Essstörungen. Sämtliche Zahnärzte waren voll des Lobes und die meisten Menschen von meinen makellosen Zähnen derart begeistert, was mir nur einen undankbaren müden Gähner entlockte. Ich ließ es an Zahnpflege nie Übermass mangeln, kotzte für dieses Krankheitsbild wirklich in Maßen und ernährte mich vielleicht nicht mega, aber auch nicht richtig, richtig schlecht. Dafür, dass die Psyche bei dieser Erkrankung wirklich eine Rolle spielt, wunderte es mich bloß, dass ich damals nicht schon zahlreich Zähne verlor, wie es emotionaler Zahnliteratur entspricht – sondern Haare. Weswegen ich auf die esoterischen Zahnhansel auch weniger gut zu sprechen bin. Natürlich hat die Psyche einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Ich bestreite das nicht. Trotzdem ändert das nichts daran, dass mein Haarausfall nach Entgiftung und Wechsel zu Fluorid-freier Zahnpasta sofort schwand. Das Problem ist nicht die geistig-seelische Ebene, sondern dass es kaum Leute gibt, die zwischen Toxizitäten und psychischen Komponenten zu differenzieren wissen. Übermass Quatschen in der Psychotherapie erfreut sich schon länger vermutlich nie dagewesenen Erfolges (Christine Seidel „Wenn die Seele nicht heilen will.“ Mega wichtiges Buch). Mich kurierte von meinen Essstörungen ein Buch über die Biochemie des Körpers und Umstellung meiner Ernährung – und eben keine Psychotherapie. Was nicht bedeutet, dass sämtliche meiner emotionalen Themen gelöst waren. Aber ich kotzte nicht mehr. Sondern dachte nach Jahrzehnten Hölle endlich nicht mehr 24 Stunden rund um die Uhr nebst all dem anderen was ich tat, ans Essen bzw. Nichtdürfen. Chapeau! Jeder der süchtig war, weiss um diese Hölle. Aber nicht unbedingt darum, was es bedeutet clean zu sein. Nach meiner Erfahrung ist es schaffbar.

Ich tanzte körperlich und geistig Übermass leistungsfähig auf zahlreichen Hochzeiten. Hatte im Grunde eher (zu-)wenig bis kein Verständnis für die Gebrechen anderer, außer bei „seriösen Diagnosen“. Auch als ich mich von einem Zahnarzt besabbeln ließ, sämtliches Amalgam zu Kunststoff zu tauschen – keine Probleme. Amalgam im menschlichen Körper als bedenklicher Fremdstoff, fand keine Erwähnung aber dass Kunststoff auf jeden Fall schicker aussähe als Metall, schon. Ich weiß nicht mehr, ob es nur Tage oder Wochen waren, bis der Kunststoff in meinem Mund bröckelte und beim nächsten Zahnarzt wieder ordentlich Amalgam reinkam, der vermutlich keine schicke Praxis mehr abzahlen musste. Da war ich noch jung.

Ich weiß auch nicht mehr, ob ich zuerst Probleme mit der Schulter bekam oder nix mehr so richtig essen konnte. Meinem Darm schien es auch nicht so gut zu gehen. Meine Schulter sollte operiert werden. Auch Impingement oder Frozen Schulter genannt. Reguliert sich bei einigen von selbst, wie ich später hörte. Hatte damals wirklich von weniger als nix ne Ahnung. Fragte schon nach einem OP-Termin. Zum Glück kam es dazu nie. Nachdem ich bei einem Orthopäden landete, der bei mindestens 60 % seiner Kollegen im Krankenhaus von Verbrechern sprach, mir meinen Arm in wenigen Terminen fast herausriss, womit die Symptome aber schwanden, klingelte es bei mir plötzlich, als ich eine Sprechstunden-Hilfe am Telefon beiläufig sagen hörte: „Haben Sie noch Amalgam?“ Ja, das hatte ich. Und ich wohnte zudem noch seit zehn Jahren direkt neben einer Aluminiumgießerei. Eine explosive Kombi, wie ich später erfuhr (Dr. Joachim Mutter).

Und natürlich verbockte auch ich mehr als reichlich. Färbte meine Haare zehn Jahre wasserstoffblond. Erinnere mich nach jahrelanger Ausleitung immerhin wieder daran, wie ich beim Friseur mal reichlich benommen vor mich hin dämmerte, während sich das Wasserstoffperoxid brennend durch meine Kopfhaut fraß. Mit dreißig musste dann noch ein Ganzarmtattoo her. Respektive, mein Tattoo liebe ich noch immer. Von Schwermetallen hatte ich damals keinen Schimmer. Mein Tätowierer, Pfund von einem Typ und wirklich Künstler an der Nadel, selbst auch ganzkörperbehübscht, gestand mir erst jüngst, er wäre körperlich ein Wrack. Heute würde ich besonders jungen Menschen vom noch so kleinsten Tattoo entschieden abraten. Nicht, weil nicht auch einige Menschen mit Amalgam und Tattoos keine Probleme haben mögen, sondern die Zusammenhänge selten eindeutig sind. Nie klar ist, wann ein System kippt. Wann ein Quäntchen Fremdstoff plötzlich zu viel gewesen sein kann. Ja, ich weiß natürlich von denen, die sich ihr Leben einen Dreck um Ernährung und ihr geistiges Niveau scheren und trotzdem nicht vorzeitig ins Grab kippen. Vielleicht haben die nach Anthony William keinen EBV oder bessere Gene. Das nützt nun mal wenig, wenn es bei einem selbst anders ist. Meine Mutter dibberte und dibberte immer und immer wieder: „Tina, das Amalgam muss raus! Ernähre Dich auch von Gemüse!“ Ob mich das interessierte?

Nein.

Meine Mutter ernährte mich und meine Geschwister wie man es sich nicht besser wünschen kann. Ich danke ihr dafür von Herzen und bin überzeugt, dass die Basis eine grosse Rolle spielt und das ist gerade bei jungen Menschen nunmal auch die Ernährung, Gene hin oder her. Bzw. sonst wären die Gene bei den vorangegangenen Generationen nach meinem Verständnis eben gar nicht erst so gut geworden, oder?